Elke Schneefuß empfiehlt:
Christine Dwyer-Hickey
Schmales Land Roman
Verlag: Unionsverlag Zürich 2023
Der amerikanische Maler Edward Hopper gilt heute als anerkannter Künstler und Chronist des „American Way of Life“ – wobei der Künstler diesem Lebensstil in seinen Bildern keineswegs ein gutes Zeugnis ausstellt. In dem Roman „Schmales Land“ spürt die irische Autorin Christine Dwyer-Hickey dem Leben und Wirken des Künstlerehepaares Hopper nach und fördert dabei eine Geschichte zutage, die man meisterlicher kaum hätte zu Papier bringen können. In dem Roman begegnen die Leser dem Maler Edward Hopper und seiner Ehefrau Josephine im Jahr 1950. Der zweite Weltkrieg ist vorbei, doch die Wunden, die er schlug, sind noch deutlich zu spüren – besonders für Michael, einen deutschen Waisenjungen, der als Pflegekind in einer amerikanischen Familie seine Ferien am Cape Cod verbringen darf. Dort am Meer trifft er auf die Hoppers, ein kinderloses, älteres Ehepaar, deren Verbindung unter Edward Hoppers Erfolg als Maler schwer gelitten hat. Während er Ausstellungen in New York und anderswo mit seinen Kunstwerken ausstattet, gelingt es seiner Frau Josephine nicht einmal mit der Unterstützung ihres berühmten Ehemannes, Galeristen von ihren Bildern zu überzeugen.
Die dauerhafte Ehekrise der Hoppers ist immer präsent, auch wenn Josephine sich Michael liebevoll zuwendet. Ihrer Ehe mit Edward hilft das nicht weiter, sie ist so zerrüttet, dass es zwischen den Eheleuten auch zu Handgreiflichkeiten kommt. Zu tief getroffen ist Josephine von einem Schicksal, das sie zur Statistin an der Seite ihres bekannten Mannes macht. Während Josephine neidvoll auf das Schaffen ihres Mannes blickt, hat Edward Hopper im Stillen eine eigene Schaffenskrise zu bewältigen: Gibt es überhaupt noch etwas, was ein Künstler seines Alters nach vielen erfolgreichen Jahren noch abbilden will oder muss? Vor dem Hintergrund einer tragisch gescheiterten Ehe schildert die Autorin Ferientage am Meer, die für das deutsche Pflegekind Michael zu einer Katastrophe zu werden drohen. Michael wird eines Diebstahls beschuldigt – den er nicht begangen hat, davon ist jedenfalls Josephine überzeugt. Sie macht sich bereit, die Unschuld ihres Schützlings zu beweisen…
In ihrer Heimat Irland ist Christine Dywer-Hickey eine bekannte Autorin. Für „Schmales Land“ erhielt sie im Jahr 2020 den Walter Scott Prize, auch ihre Kurzgeschichten wurden mehrfach ausgezeichnet. Wer sorgfältig recherchierte und ausgezeichnet geschriebene Romane mit historischem Hintergrund mag, wird dieses Buch vermutlich gerne lesen.