Ulrich Schulz empfiehlt
Wolf Haas
Müll
Wolf Haas wollte mit den Krimis aufhören.
Nach acht Jahren Pause hat er aber jetzt doch seinen neunten Brenner-Roman veröffentlicht: „Müll“ lautet der schlichte Titel.Der Titel deutet es schon an: Der Fall dreht sich im weitesten Sinne um „Mist“, wie die Österreicher sagen. Hauptschauplatz ist tatsächlich ein Recyclinghof, die Protagonisten sind, Brenner inklusive, allesamt „Mistler“.
Eines Morgens, so geht die Sache los, taucht in Wanne 4 ein menschliches Knie auf, dabei soll da eigentlich nur Sperrmüll rein. Kein Wunder, dass kurz darauf die Polizei aufkreuzt. Einer der beiden Kripo-Beamten, der Kopf nämlich, erkennt den Brenner, der früher sein Chef war. Auf einmal begegnen ihm die Mistler mit neuem Respekt. Der Brenner, seit jeher ohne festen Wohnsitz, ist ein bisschen auf den Hund gekommen: Seit er bei seiner Freundin rausgeflogen ist, steigt er als „Bettgeher“ in fremde Wohnungen ein, deren Besitzer gerade auf Urlaub sind. Dass das nicht gutgehen kann, ahnt man von Anfang an.
Noch viel komplizierter ist aber die Geschichte mit der zerstückelten Leiche, die hier natürlich unmöglich verraten werden darf. Nur so viel: Eine junge Frau namens Iris kommt ins Spiel, ein von Rache besessener Fuhrunternehmer taucht auf, es gibt noch mehr Tote, und über Organhandel lernt man auch eine Menge.
Es ist nicht unbedingt die Handlung, es ist schon eher die Hauptfigur Simon Brenner, es ist aber vor allem die Erzählerstimme, die mich begeistert. Tratschsüchtig, mit leichtem Schmäh, manchmal ironisch, abschweifend, dann wieder sehr direkt auf den Punkt kommend, immer unterhaltsam, hoch komisch.
Nicht dass seine vorherige Wohnung so schlecht gewesen wäre. Im Gegenteil, sehr gemütlich gewesen. Aber Wohnung der Freundin, und da fliegst du schnell einmal hinaus, wenn du die Socken an der falschen Stelle liegen lässt. Oder um die ganze Wahrheit zu sagen, eigentlich war es nicht die falsche Stelle, sondern die falschen Socken, sprich Socken von der Freundin der Freundin. Mit dem Katzenbild drauf.
(Aus Wolf Haas: Müll)
Wolf Haas selbst hat einmal erklärt, der Tonfall seiner Brenner-Serie sei der, den man in den 1960er-Jahren in Österreich auf dem Land gepflegt habe. Man darf ihm das nicht glauben, die Sprache ist in Wirklichkeit, auch wenn sie wie gesprochen klingt, hoch artifiziell.
Verlag: Hoffmann und Campe
Erscheinungsdatum: 2.3.2022
ISBN: 978-3-455-01430-3
288 Seiten
24 Euro