Micheline Prüter-Müller empfiehlt:
Philipp Oehmke
Schönwald Roman
Verlag: Piper, München 2023
„… ein gnadenloser Roman über die Kraft des schlechten Gewissens“ schreibt die „Zeit“. Schönwald ist ein unglaublich aktueller, unglaublich gut geschriebener Roman, der die Gesellschaft unserer Zeit glasklar aufs Korn nimmt.
Eine Familie geprägt von Lebenslügen. Jede und jeder mit Lebenslauf und Handlungen, die entlarvend repräsentativ scheinen. Schönwald ist ein Page Turner – man muss während des Lesens immer wieder innehalten und heftig atmen. Es bleibt einem die Luft weg – durch völlig überraschende Wendungen der Handlung und schnörkellose Formulierungen eines an das Scheiben gewöhnten Autors. Philipp Oehmke ist Spiegelredakteur. Schönwald ist sein erster Versuch, einen Roman zu schreiben, einen Roman über unbearbeitete und unbesprochene Themen, die mehrfach verdreht und schmerzhaft über Generationen weitergereicht wurden.
Dieser Versuch ist phantastisch gelungen.
Eine deutsche Familie trifft sich anlässlich der Eröffnung eines queeren Buchladens in einem noch nicht vollständig gentrifizierten Stadtteil von Berlin. Der Laden war ein lange gehegter Wunsch der Tochter Karolin, die die wahren Motive für diesen Wunsch nicht offenlegt. Die Eröffnung wird empfindlich gestört. Die neue Ladeneinrichtung liegt in Scherben. Kluge, wild entschlossene junge Menschen aus verschiedenen Ländern stellen die alles Weitere prägende Frage: Woher kam das Geld für den teuren Spezialbuchladen? Aus Nazivermögen? Vom eigenen schwer belasteten Großvater? Ein Strudel von Attacken aus Steinen, Weinen und verletzenden Worten zerstört den Traum. Ausreden, Halbwahrheiten und hilflose Versuche, Liebesverhältnisse zu kitten, prägen den weiteren Umgang aller Familienmitglieder miteinander. Jedem und jeder wird ein Kapitel gewidmet. Dem Sohn Chris, Literaturprofessor in Amerika, der aus Ehrgeiz und Bedeutungskrampf plötzlich zum rechten Trump-Unterstützer mutiert, dem gebildeten, weichen und in den unmöglichsten Situationen immer wieder hoffenden Vater, der äußerlich krampfhaft alles zusammenhaltenden Mutter und dem Sohn Benni, der mit einem Wohnortwechsel aus Berlin aufs Land für seine kleine Familie alles richtig machen wollte. Ob sein Wunsch, die Familie gemeinsam mit den politischen Akteuren zu einer Grillparty einzuladen, gelingt, hält die Spannung bis zum Ende aufrecht. Wir können all das kaum glauben und finden doch in all unseren Familiengeschichten Anteile wieder…