Buch-Tipp Dezember 2023

Micheline Prüter-Müller empfiehlt:

Elena Fischer

Paradise Garden Roman

Verlag: Diogenes 2023

Die Jury des Deutschen Buchpreises 2023 konnte es wohl auch kaum glauben — so ein kleines Büchlein mit einem so bekannten Thema – das sollen wir auszeichnen? Eine junge Frau zwischen kauzigen Familienmitgliedern auf der Suche nach einem unbekannten Vater auf einer Reise quer durch Deutschland? Ganz allein? Die Literaturexpert:innen sollten und mussten – und hätten ihm fast den ersten Preis zugestanden..

Mit Recht. Dieses Büchlein ist etwas ganz Besonderes und liest sich phantastisch. Lässig und zauberhaft sagt der Klappentext über den Stil. Stimmt beides.

Elena Fischers Erstlingswerk beschreibt ein Mädchen oder besser eine junge Frau in einer ärmlichen Hochhauswohnung im Osten Berlins. Ihre Sichtweise lässt diese Wohnung erstrahlen. Billie heißt die Hauptperson mit der Sehnsucht nach Glamour und weiter Welt. Aber eigentlich Erzsebet mit dem Duft der moralischen Enge und Strenge eines Dörfchens in Ungarn. Schon die Mutter war abgehauen und wollte Tänzerin werden. Jetzt putzt sie auf zwei Stellen. Aber die überstrenge Großmutter kommt aus Ungarn hinterher und will möglicherweise bleiben…  

Billie hängt an ihrer Mutter. Und wie dieser Kontakt und auch der zu ihren spleenigen Nachbarn von der Autorin ausgestaltet wird, ist wunderbar liebevoll, überraschend und fein. Das schlimme Unglück, dass Billie ihre Mutter verliert, wird gleich im ersten Satz des Buches genannt, so dass die Leser:innen die tiefe Trauer der Tochter während der ganzen Lektüre begleitet. Dennoch ist Billie an der Oberfläche erfrischend frech, selbstsicher und unsicher gleichzeitig. Pubertär halt. Manchmal erscheint die Liebe zu der chaotischen Mutter etwas unwahrscheinlich – ebenso die Fahrkünste eines so jungen Mädchens. Aber Billies ehrlich ängstliche und gleichzeitig mutige Art wecken auf jeder neuen Buchseite wieder neue Lesefreude. Bekannt und erwartbar sind dann die Vatersuche und der Roadtrip durch Deutschland, aber überhaupt nicht erwartbar war die Art, wie all dies erzählt wird. So lustig und so traurig, so mitfühlend und so lakonisch, so hintersinnig und so voller überraschender Sprachwendungen. 

Der Schluss ist zum Glück nicht kitschig oder erwartbar wie im Herzkino. Mehr soll aber nicht verraten werden.